wie es kam...

Tja, irgendwie verlaufen meine Reisen immer katastrophal, was mir den Spitznamen "Dr. Katastrophe" einbrachte. Leider sind nicht mehr alle Reiseberichte vorhanden. In manchen Fällen nur noch ein "Beschwerdebrief"...

kreative (!) Anregungen sind willkommen!

Euer
Dr. K.

Donnerstag, 13. Oktober 2011

Sitz-Lilien

Salve!

Bei feinstem Wetterchen verließen wir die Heimat auf dem Weg in den Regen. Na wenigstens war der hier warm :) Tatsächlich war immer kurze Buxe angesagt.

Am schwülen Sa Abend nahmen wir dann unseren FIAT in Empfang. Fast neu und tadellos (aber Veränderungen sind ja was tolles). Mit einer neuen „an-der-Ampel-ausgeh-Automatik“ – kannte ich noch nicht, aber fand ich ganz gut.
 Der Sizilianer an sich legt sehr viel Wert auf die volle Funktionsfähigkeit seines Autos: permanent kontrolliert er den linken Blinker (also natürlich auch auf BEIDEN Fahrbahnen), häufig das Fernlicht und die Hupe.
Der Verkehrskollaps hat hier längst stattgefunden (in den Städten zumindest). Das Fahrverhalten ist nicht großartig anders als in Indien („ich fahr schon mal in die Kreuzung rein, irgendwann muss ich ja durchkommen“ – so kann man natürlich wunderbar andere Spuren blocken). Ich stellte mich schnell auf das rücksichtslose und maximal aggressive Fahren ein (häufig wurde an den Straßenrändern sogar dafür geworben - "Aggrotourismo"): Blinken stellte ich praktisch noch in den ersten 24 Std. ein. Wenn du 90 bei 50 erlaubten fährst, rechts das Überholverbotszeichen und dazu die durchgezogene Linie siehst, kommt das "wir kontrollieren hier elektronisch"-Schild wie eine Farce vor, wenn du von ALLEN überholt wirst! Die Skrupel legte ich zügig ab und fuhr wie die Einheimischen notfalls auf der nicht vorhandenen 3. Reihe. Später hielten mich auch rote Ampeln und Einbahnstraßen in die anderen Richtung nicht mehr auf. Ganz normal. Aber für die eine mickrige Stunde Falschparken kurz nach dem Einladen am letzten Tag musste ich 39 Piepen latzen!
Also denk das nächste Mal daran, wenn du darüber meckerst, dass der Verkehr hier nicht läuft…

Bei der Ankunft in Palermo begrüßte mich auf dem Klo übrigens eine schwarz-weiß-rote Fahne mit römischen Insignien und ich erinnerte mich, das der lokale Fußballclub der rechten Szene zuzuordnen ist. Lustig, dass die ausgerechnet in rosa spielen... Naja, Faschismus hatte ja in Italien nie wirklich schlechte Konjunktur. Als mich in einem Souvenirladen Mousse-O-Lini mit dem erhobenen rechten Arm begrüßte, verließ ich angewidert den Shop. Aber den Knaben gab‘s da in jedem Laden...

Tja, wie sieht der Sizilianer an sich aus? Er hat definitiv zu viel männliche Hormone. Die Frauen sind nur besser rasiert. Die Jüngeren zumindest. Außerdem kann man hier unmöglich unterzuckern, so dass ein Großteil der Leute pummelig sind (aber trotzdem gern eine Nummer zu klein tragen). Aber alle finden sich toll. Und beim Reden ist es unabdingbar, dass sich mindestens in einer Hand alle fünf Finger berühren. Und hier kommt auch Luigi (Mario-Brothers) her …
Sizilien ist angeblich das "Land", dass am häufigsten erobert wurde. Doch der finale Aufschwung begann ja erst in den letzten 20-60 Jahren. Wo wäre Italien heute ohne Sonnenbrille, Pomade/ Gel und letztendlich ohne Handy?

In den 1.500 km rund um die Insel haben wir ne Menge gesehen: Egal, wie mickrig der Ort auch war, sein "Dom" war immer überwältigend. Leider meistens neben dem Rathaus auch das einzige Gebäude, was gut in Schuss war. In Rumänien und anderen ehem. Ostblockländern sieht es nicht schlimmer aus! Manchmal war es sogar eher Lateinamerikaniveau! (Man sagt ja auch, Sizilien ist die DDR Italiens (wobei böse Zungen behaupten, dass das auf alles außer Südtirol zutrifft).) Denen im Osten kann man immerhin zu Gute halten, dass die erst seit ca. 20 Jahren "Freiheit" am Aufbau arbeiten (können). Also denk das nächste Mal daran, wenn du darüber meckerst, dass so ein Land in die EU will, während die Pfeifen im Süden schon von Anfang an (!) drin sind.

Ich zitiere hier mal einen Reiseführer: "Nach Sizilien kommt man nicht der Strände wegen." Darum waren wir auch nicht hier, aber dass man auf einer Insel doch mal ans Wasser will, ist doch normal! Also folgten wir gierig dem ersten Schild "mare" als denn das Wetter danach war: eine Treppe führte auf eine Art Felsplateau, dass genug Platz für ein Duzend Leute geboten hätte und etwa dem Müll, den so eine Anzahl in einer Woche produzieren kann. Aber nur letzteres wurde erfüllt - "Nach Sizilien kommt man nicht der Strände wegen."
Beim nächsten Versuch folgten wir wieder den Schildern. Der Strand war diesmal größer. Parkmöglichkeiten gab es für ca. 3 bis 5 Autos. Das Parkhaus war zugekettet. Ganz so viel Müll gab‘s hier nicht, aber für die ca. 15 Gäste mindestens 2 illegal eingewanderte Krempelverkaufsnordafrikaner. "Nach Sizilien kommt man nicht der Strände wegen."
3. Versuch: "lido azzurro" - der blaue Strand. Hört sich toll an. Passender wäre allerdings "Müllkippe azzurro": Wenigstens gibt es zwischen den Müllflächen genügend Platz für unsere Handtücher und neben den illegal eingewanderten Krempelverkaufsnordafrikanern noch eine Reihe von ostasiatischen Masseusen. Und der meiste Müll ist auch gar nicht so gefährlich wie die zerbrochenen Glasflaschen oder so ekelig die alten Windeln. erfüllt - "Nach Sizilien kommt man nicht der Strände wegen." Der ca. 150 - 200 m breite Sandstrand (das Potenzial ist da!) wird auf ganzer Länge bis ca. 5 m vor dem Meer durch eine blickdichte Holzmauer vom der "Müllkippe verde" (unserem 4. Versuch) getrennt. Letztere erinnert (von der Kulisse her) stark an Kuba (nur, dass auf Kuba kein Müll war): ein ehemals für den „Strandgebrauch“ errichtetes Gebäude hat sich nun dem Verfall gewidmet. - "Nach Sizilien kommt man nicht der Strände wegen."
Kenne ich von daheim nicht! Also denk das nächste Mal daran, wenn du über so was wie Kurtaxe meckerst…

Eigentlich schade. Denn: Wenn du mit dem Auto an der Ostküste nach Norden fährst, den Ätna immer als Begleiter am Horizont, kommst du von durch abwechslungsreiche Landschaften. Den Olivenplantagen schließen sich Zitronenhaine an, dann kannst durchs „Gebirge“ hochfahren und eine Kuh steht mitten auf der Straße und hinter der nächsten Kurve kommt dir eine Ziegenherde mit Glöckchen und Hirte hinterher entgegen – ein fast alpine Kulisse. Wenn du dann Cefalu ankommst, dort durch den feinen sauberen Sand ins glasklare Wasser watest – im Hintergrund der riesige Fels, an den sich der Ort schmiegt , du abends auf der Dachterrasse mit einem Glas Rotwein sitzt, während rechts von dir die Sonne hinter rot angeleuchteten Wolken untergeht und in der Dämmerung das ferne Ende der Bucht erst durch die Lampen dort sichtbar wird und links von dir der Normannendom einen immer längeren Schatten auf den riesigen Felsen wirft und dabei das Leben auf dem kleinen Vorplatz in Schwung kommt, dann weißt du: es geht auch anders! Und: nach Sizilien kann man auch der Strände wegen kommen.

Ach, da gibt’s noch ne Menge weiterer Geschichten, die erzählen wir euch mal, wenn wir uns sehen…

Ein schöner Urlaub. Aber keine Empfehlung. Zumindest NOCH nicht.

IL MANUEL