wie es kam...

Tja, irgendwie verlaufen meine Reisen immer katastrophal, was mir den Spitznamen "Dr. Katastrophe" einbrachte. Leider sind nicht mehr alle Reiseberichte vorhanden. In manchen Fällen nur noch ein "Beschwerdebrief"...

kreative (!) Anregungen sind willkommen!

Euer
Dr. K.

Dienstag, 19. Februar 2013

Donezk

Mein erster Fanflieger

Zur Vorgeschichte:
Im Anschluss an das Pokalspiel gegen Hannover im Dezember haben wir im Fanclub gelost: 16 Namen in eine Mütze, Zahlen von 1 bis 16 in eine andere Kappe. Meine Frau (da Sie selber nicht in den Auslosungstopf wollte) übernahm die Aufgabe der „Glücksfee“, die sonst irgendwelche Pfeifen von der UEFA übernahmen (aber von denen wollte keiner unsere Ziehung übernehmen). Auch wenn meine Frau zweifelsohne die unangefochtene beste Loszieherin ist (zumindest was Grazie, Sympathie und Technik angeht), so war sie doch für mich nicht die Glücksfee: Platz 14!
Entsprechend deprimiert verzichtete ich am folgenden Tag darauf, mir die Ziehung des CL-Achtelfinales von wieder so einer UEFA-Pfeife anzusehen. Als dann Holgers Mail kam „du kannst also buchen“, war ich doch etwas unvorbereitet. Nach Donezk, das sonst ja in einem Atemzug mit Paris oder Sidney genannt wird, wollten komischerweise nur noch Mo und CP, so dass mein 14. Platz plötzlich vollkommen egal war.

Der Trip:
Gebucht wurde: Fanflieger 370 €, Bus von Dortmunder Hbf zum Flughafen Köln-Bonn: 20 €, Eintritt zum Achtelfinale der Champions-League 6,60 €.
Der Bus startete um 5:30 Uhr am Mittwochmorgen. Ich schlafe immer mies, weil ich Sorge habe, zu verpennen, was sich immer als Unsinn erwies. Die im Web angegeben U-Bahn um 4:59 Uhr gab es natürlich nicht (fängt also an wie immer). Ich habe genug Puffer eingeplant.
Der Bus hält auch in Lüdenscheid, um weitere Fans einzusammeln und noch mal (auf der sagenhaft langen Strecke nach CGN), um Leute rauchen und pinkeln zu lassen (dass die ersten bereits ein paar Kannen Bier plattgemacht hatten, müsste ich eigentlich nicht erwähnen). Um 7:30 Stau bei Köln. Wir biegen jedoch ab und sind (natürlich) viel zu früh da. Ich esse mein Zimtwuppi und ein paar abgelaufene Chips. Ein paar Leute haben mich bekloppt gemacht wegen angekündigter Streiks. Wir kommen ohne davon!
Im Flugzeug sitzt der Gruppentrottel direkt hinter uns: Er säuft, hat das lauteste Organ und macht ziemlich dämliche Witze, der darin gipfelt, dass er ein Loch in eine Flugzeugdecke reißt und die sich als Tunika anzieht. Und dann eine weitere als Kopftuch benutzt, um sich als arabischer Terrorist zu verkleiden. Alle sind müde und ich höre von anderen Seiten „halt doch einfach mal die Fresse“. Ansonsten klappen Flug und Einreise problemlos.
Wir fahren mit dem Bus (schon ein echtes Erlebnis) in die Stadt. CP lädt ALLE Dortmund Fans im Bus (47) ein: 10 Cent pro Fahrt. Dafür darf man bei uns nicht mal die Rolltreppe benutzen. Ich erkläre mit den Überbleibseln meiner einst blühenden Russischkenntnissen der Kontrolleurin, wo wir hinwollen. Unser kleinen Gruppe schließen sich zwei (wie sich später rausstellt für den selben Konzern arbeitende) Jungs an.
Es ist grau. Es wird den ganzen Tag nicht hell. Es ist nebelig. Trist. So stellt man sich gern mal die Sowjetunion vor. Naja, es scheint auch an einigen Stellen nicht viel passiert zu sein: die Gullideckel sind „aufliegend“, also ca. 15 cm höher als die Umgebung, hier und da sind ein paar Löcher im Asphalt. Mo kommt aus dem Staunen nicht mehr raus, dass ja hier nichts behindertengerecht sei. Ehrlich gesagt ist es auch für nüchterne, gesunde Fußgänger schon „nicht gerecht“.
Wir erreichen den Höhepunkt des Sightseeings: Den Leninplatz, der ungewöhnlicher Weise auch noch so heißt und erstaunlicher Weise auch noch die dazugehörige Statue hat. Wir lassen uns von meinen „Kollegen“ fotografieren.
Da kommt ein Deutschstudent, der sich ebenfalls mit uns fotografieren lassen will. Dann ein Goldzahn-Opa mit Enkel. Er will auch ein Foto mit dem Jungen und uns. „Deutschland, Deutschland, über…“ – Nein, nein sagen wir, das heißt jetzt nicht mehr so. „Dortmund, Dortmund,…“ – ja, das ist ok.
Dann hauen wir ab, um nicht noch mehr Modell zu stehen. Später will man uns nochmal fotografieren. Eigentlich sind die Leute nett. Ein paar lokale Trottel rufen uns auch mal „Heil“ entgegen. Oder „Stalingrad“, was übrigens von hier aus noch ca. 600 km entfernt ist. Ich empfinde noch mehr Mitleid für die armen Männer, die vor 70 Jahren bis hier laufen mussten. Ansonsten ignorieren wir solche Idioten hier.
Wir wollen essen. Ich erinnere mich an gutes und günstiges ukrainisches Essen bei meinem Trip mit meiner Frau nach Lemberg vor ca. drei Jahren. Wir finden kein Restaurant (oder es ist angeblich alles reserviert). Als der Magen uns erinnert und die Füße schon etwas weh tun, kehren wir mangels Alternativen in einen Dönerladen ein. Da gibt es bekanntlich kein Bier. Zu spät, wir sitzen schon. Die Toilette ist schon einen Besuch wert. 1A Service (der Döner wird gebracht, der Müll vom Vorgänger bleibt auf dem Tisch). Es gibt einen Heizstrahler. Er ist auf den Kühlschrank gerichtet. Das macht Sinn. Ein BVB Fan verkauft uns 3 Büxen in magenfreundlicher Temperatur. Das war’s dann auch mit unserem Alkoholgenuss (im Stadion gibt’s nichts).
Der Zug geht los Richtung Stadion. Ich schließe mich an. Es laufen ca. 2.000 Fans den kurzen Weg gemeinsam. Auf dem Weg habe wir alle 50 m zwei Uniformierte gesehen. Die sehen noch so ein bisschen aus wie zu Sowjetzeiten, allerdings nicht so albern wie unsere (die ja so Michelin-Männchen-mäßig eingepackt sind).
Vor dem Stadion: Personenkontrolle: Was ist das? Mein Deo. Ok, rein.
Vor dem Stadion: Personenkontrolle (ja, schon wieder): Was ist das? Eine Plastikdose mit Erdnüssen. Ok, rein.
Vor dem Block (aller guten Dinge sind 3): Personenkontrolle: Was ist das? Mein Deo. Ok, rein.
Es wundert mich schon sehr, dass ich der ganzen Zeit kaum Stinker rieche.
Das Stadion ist so eine moderne Arena. Mir scheint, dass der Großteil der Fans mit dem Geld kam: alle haben orangene Einheitsfähnchen und wedeln alle gleichzeitig. Ganz cool: unser ole, ole – ole, ole machen die hier mit vier Tribünen. Die Haupttribüne zieht nachher eine riesige Blockfahne hoch. Eigentlich cool, aber leider steht da "Shaktar" drauf (zur Erinnerung: Die schreiben hier Kyrillisch). Eigentlich etwas arm. Vor dem Spiel tausche ich seit 15 Jahren endlich mal wieder einen Schal, auch mit lateinischer Schrift. Tja, modernes Merchandise…
Der "Fanblock“ ist nicht mal so breit wie der 5m-Raum. Die ziehen nachher oben ohne aus. Evtl. ein Protest gegen die Beheizung des Stadions (an Energieverschwendung kaum zu überbieten). Außerdem machen die bei der Welle nicht mit. Von unseren Fans auch nur ich und noch der ein oder andere vereinzelte. Das finde ich doof.
Nach dem Spiel: Wir haben keinen Transfer zum Flughafen gebucht. Taxi? Nicht nötig: Es gibt kostenlose Shuttlebusse. Wir steigen nach ca. 30 Minuten Rumirren ein. Kurz danach startet ein Motor. Ich atme in den nächsten 10 Minuten mehr Abgase ein, als in den letzten 10 Jahren zusammen. Alle halten sich irgendwas vor den Mund.
Wir sind froh, endlich am Flughafen zu sein. Wir dürfen 20 Minuten eher starten weil alle da sind. Irrtum. Es werden nach und nach drei Personen aufgerufen. Einer kreuzt nicht auf. Fazit: 10 Minuten Verspätung. Ankunft trotzdem pünktlich, nur der Bus ist noch nicht da. Er kommt nach ca. 40 Minuten. Um 20 vor 8 bin ich daheim. Nach 28 Stunden gehe ich wieder ins Bett.
Ich freue mich schon auf den nächsten Trip!